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Am Höhepunkt – Kolumne von Gery Seidl

Gery Seidl

Was auch immer man unter Höhepunkt genau verstehen kann, ist eine einfache umfassende Sammelerklärung. Vielleicht jene: Man ist oben. Man hat es geschafft. Das ist die Spitze. Mehr geht nicht.
Sei es der orgastische Höhepunkt, den zwei Liebende mitsammen erleben dürfen, oder ist es der lang erträumte Auftritt eines Künstlers bei MTV oder in der Royal Albert Hall. Hat der Bergsteiger den letzten möglichen Achttausender auf diesem Planeten ohne Sauerstoff bezwungen, oder wurde der brave Beamte am Ende seiner Karriere mit dem Titel „Hofrat“ belohnt. Es gibt Erlebnisse anhand derer man spürt: Mehr geht nicht.

In meinem Fach kann es zum Beispiel die Pointe sein. Der Schlusspunkt der den Witz erst zu einem gelungenen macht, da er erst dann die Absurdität aufzeigt oder der Geschichte eine radikale witzige Wendung gibt.
So definiert jeder in seinem Leben seine persönlichen Höhepunkte. Sportler haben sensationslustige Reporter an ihrer Seite, die den Moment des Höhepunkts nicht verpassen wollen. Unzählige Kameras säumen den Pistenrand um keinen Winkel uneingesehen zu lassen und mittlerweile fliegen auch schon Drohnen mit, um uns auch die Perspektive des Vogels zu zeigen in welcher er die Sensation erlebt, welche ihn jedoch voraussichtlich weniger tangiert als den gespannten Zuseher zuhause auf der Couch.
Gerade die Sportler zeigen uns immer wieder auf´s Neue, dass die richtige Einstellung, Ausdauer, Fleiß und letztendlich Talent, ein gutes Rezept für das Erreichen eines Höhepunktes sind. Sie kratzen an der tausendstel Sekunde.
Mit einer anderen Art von Training und Taktik gehen es Politiker an, ihren beruflichen Höhepunkt zu erreichen. Auch sie werden medial verfolgt, da das öffentliche Interesse an ihrem Tun, an ihrem Aufstieg oder Fall stets gegeben ist.

Die intimeren beruflichen Höhepunkte bilden jedoch sicher die Mehrzahl. Die Kellnerin, die es aufgrund des Ausfalls der Kollegin ganz alleine geschafft hat das Mittagsgeschäft zu bewältigen. Der Rettungsfahrer, der die werdende Mutter noch rechtzeitig vor der Entbindung mit Blaulicht und Vollgetonhorn auf die Geburtenstation gebracht hat. Die Helden die jeden Tag so großes leisten. Höhepunkte erreichen, die nur ganz wenige erkennen, und selbst nur da, wenn sie aufmerksam sind.
Der Schluss daraus? – Vielleicht ist es wichtig mehr Augenmerk auf die eigenen einzelnen Höhepunkte zu legen. Gelungene Aktionen zu würdigen, um sie nicht im Selbstverständnis des Tagesgeschäfts verkommen zu lassen. Die kleinen eigenen Schulterklopfer.
„Das hast du aber gut gemacht!“
„Das macht dir so schnell keiner nach!“
Würde ein Fernsehteam dich begleiten wärst du nicht alleine beim Feiern. Oder, und das ist der Nachteil: Viele wären Zeuge deines Scheiterns. Oft weiß man nicht was besser ist.

„Ich bin der Meinung, dass Höhepunkte das Salz in der Suppe sind. Gäbe es sie nicht, wäre der Tag oder das Jahr möglicherweise ein einziger Brei. Und: Leben heißt auch darauf zu kommen, was man nicht mehr braucht.“

Zusammengefasst bin ich der Meinung, dass Höhepunkte das Salz in der Suppe sind. Gäbe es sie nicht, wäre der Tag oder das Jahr möglicherweise ein einziger Brei. Ich bin mir vollkommen bewusst, dass Meditationstrainer und Gurus mir sofort widersprechen würden, da doch die große Kunst darin liegt NICHTS zu machen. Ja, ich weiß, doch so weit bin ich noch nicht. Leben heißt auch drauf zu kommen, was man nicht mehr braucht.
Was mich jedoch, nach der Betrachtung der einzelnen Erstrebnisse, am aller meisten interessiert ist unsere Gesellschaft. Sind wir gesellschaftlich am Höhepunkt oder haben wir noch ganz viel vor uns?
In Geschichtsbüchern kann man oft von längst vergangenen Kulturen lesen, die am Höhepunkt zerfallen sind. So man einen solchen erreicht – geht es dann automatisch nur noch bergab, oder ist es ein Moment, den wir beim möglichen errichten noch höher gesteckter Ziele leicht übertrumpfen können?

So gilt es sich Ziele zu stecken. Ein Gesellschaftsbild. Ein Weltbild. Peace, Love, Rock and Roll. Eine Welt ohne Hunger und Krieg. Freiheit der Religionen, oder Bildung für alle, um nur einige mögliche Beispiele zu nennen.
Da braucht es eine Vision, Eifer, Durchhaltevermögen und den festen Glauben daran, dass in jedem von uns noch eine Kraft steckt, die dieser Idee zum Leben verhelfen kann.
In diesem Sinne freue ich mich auf unseren gemeinsamen Höhepunkt.

Foto/Video: Gary Milano.

Geschrieben von Gery Seidl

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