Ihr Name ist Lotta. Sie ist mein Mädchen, meine Tochter. Groß ist’s gworden. Raus hat’s wollen. In die weite Welt hinaus. Wie ich sie vermisse, meine Lotti. Aber bald kommt sie ja wieder Heim. Dann lass ich sie nicht mehr los, nein, nein.

Ach Lotta, wo bleibst du denn? Hat dein Zug womöglich Verspätung? Oder hast du mich vergessen? Ich wusste, dass die große weite Welt dich verschlingt, dich mir entreißt und dich mir nimmt. Aber so schnell schon? Ach Lotti, wo bleibst du bloß.

Meine liebe Lotta, ich schreibe diese Zeilen, weil du ja sonst nicht mit mir sprichst. Du fehlst mir unerträglich. Mein Mädl, wie schnell nur ist die Zeit vergangen. Ich hoff es ist dir gut ergangen? Liebes Lotterl, Lieselotte, so schreib mir doch.

Hallo Lotta, ich bin’s wieder. Freut mich, dass es dir so geht. Du scheinst ja regelrecht zu strahlen. Welch Glück das ist für meine Seel. Jetzt denkst du sicher, geh bitte Mama, werd nicht schnulzig. Aber Lotterl, Lieselotte, wirklich, ich freu mich. Ich denk er ist der Richtige für dich.

Hallo, ich bin Lotta, Lieselotte, eigentlich. Schön, dass wir uns kennenlernen. Ich denk das wird was Schönes werden. Ach Mama, ich sag’s dir er ist toll. Schön und smart und lustig obendrein. Ich könnt wirklich nicht glücklicher sein. Wie ich mich freu aufs Wiedersehen.

Wie schön es ist, dass wir uns kennen. Wie bitte? Fortan soll ich dein mich nennen? Ach, wie ich mich freue. Fortan soll ich dir gehören. Ja, werd ich sagen. Du und ich, ich und du. Wir heißt’s, wenn sie fragen.

Mama, ich fürchte mich. Was bleibt denn noch von mir, wenn ich sein bin? Wer bleibt, wenn zwei zu einem werden? Hab ich einen Fehler gmacht? Nein, das sicher nicht. Jeder hat doch schlechte Tage. Geh bitte, die finstren Züge, die vergehen, sagen mir die andern. Stell dich nicht so an, das bildest dir nur ein. Vielleicht tu ich das, schließlich bin ich jetzt auch sein. Da ist’s normal, dass mal was nicht passt.

Ich hab gesagt er soll verschwinden. Schnell und fort, hab ich gesagt. Ich hab so Angst, Mama. So viel Angst. Geh, bitte, hab ich gesagt. Er ist geblieben. Grantig ist er worden. Richtig wütend gar. Geh bitte, was führst dich so auf, hat er gesagt. Mama…

Liebes Lotterl, komm nach Haus. Ich bitte dich, ich hol dich auch da raus. Hör nicht auf die andern. „Geh bitte, das bildest du dir ein. Stell dich nicht an, bist ja schließlich sein.“ Nein, nein, dem ist so nicht mein Kind. Ich bin da für dich, aber bitte, Lotta komm nach Haus.

Lieselotte. Lotta. Lotterl. Mein Kind, meine Tochter. Mir fehlen die Tränen, schlicht die Worte. Bitte Lotterl, komm wieder zurück. Bitte Tochter, steig aus dieser Kiste und setz dich her zu mir. Was bleibt denn nun von dir, warst du zum Schluss doch gänzlich sein. Das kann wohl nicht die Wahrheit sein. Nein, nein, nein.

Ihr Name bleibt Lotta. Sie war mein Mädchen, meine Tochter. Sie wollt raus in die Welt. Und die Welt hat sie mir genommen. Nein, nicht die Welt, nein, nein. Er war’s. Und sie Fall Nummer 29.

Anmerkung der Autorin:

Als ich diesen Text zu schreiben beginn, lautete die Zahl am Ende noch 16…

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Geschrieben von Julia Gaiswinkler

Darf ich mich vorstellen?
Ich wurde 2001 geboren und stamme aus dem Ausseerland. Aber der wohl wichtigste Fakt ist der folgende: Ich bin. Und das ist schön so. In meinen Geschichten und Erzählungen, Hirngespinsten und Funken von Wahrheit versuche ich, das Leben und dessen Magie festzuhalten. Wie ich dazu gekommen bin? Nun ja, schon im Schoße meines Großvaters, beim gemeinsamen Tippen auf seinen Schreibmaschinen, stellte ich fest, dass mein Herz dafür schlägt. Vom und fürs Schreiben leben zu können, das ist mein Traum. Und wer weiß, vielleicht geht dieser ja auch in Erfüllung...

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