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Pension: Alter schützt vor Unwissen nicht

Der Brief von der SVA ist da, der Titel „Das neue Pensionskonto“ klingt vielversprechend. Doch die fettgedruckte Zahl im Inneren des Briefes ist wenig ermutigend – das soll meine Pension sein? Erst bei genauem Nachlesen wird klar: Hier handelt es sich um eine vorläufige Zahl, die das bisherige Guthaben der Pension anzeigt. Obwohl die Kampagne der Pensionsversicherungen darauf abzielt, das Vertrauen in die gesetzliche Pension zu stärken, bewirkt sie doch bei Vielen das Gegenteil. Eine Menge Fragen bleiben offen: Wie hoch wird die Pension tatsächlich ausfallen? Wie lange werde ich arbeiten müssen, um mein Auskommen zu finden?

Mein erster Anruf erreicht die Service-Hotline der für mich zuständigen SVA, die zum Thema Pensionskonto eingerichtet wurde. Die Dame am anderen Ende der Leitung erklärt mir geduldig, was es mit den fehlenden Versicherungszeiten in meiner Auflistung auf sich hat. Auch zum Thema Kinderbetreuungszeiten bekomme ich wertvolle Informationen zu Pension: Für Kindererziehung werden bis zu vier Jahre für die Pension angerechnet. Mein nächster Ansprechpartner ist Wolfgang Panhölzl, Experte für Pension bei der Arbeiterkammer Wien: „Der Wert im Pensionskonto zeigt an, wie hoch die Pension wäre, wenn Sie ab sofort nichts mehr einzahlen würden. Wichtiger ist die Rechnung, wie viel monatlich bleibt, wenn das Pensionsalter von 65 Jahren erreicht ist.“ Das Pensionsalter von 65 Jahren? Ich lerne: Für Frauen, die bis zum 1.12.1963 geboren sind, gilt als Regelpensionsalter 60, dann steigt das Antrittsalter schrittweise auf 65 Jahre an. Für Männer bleibt das – gesetzliche – Pensionsalter von 65 Jahren gleich.

Mehr Wertschätzung für Ältere

Das heimische Pensionssystem beruht auf dem sogenannten Generationenvertrag: die Berufsstätigen finanzieren die Pensionen der Älteren. Doch dieses System – man nennt es auch Umlageverfahren – stammt aus den 1950er-Jahren; heute leben die Menschen länger und erhalten länger eine Pension. Gleichzeitig ist das Antrittsalter für die Pension gesunken, das Berufseintrittsalter wegen umfassenderer Ausbildungen gestiegen. Im Schnitt gehen Männer derzeit statt mit den vorgesehenen 65 Jahren schon mit etwas über 59 in Pension, Frauen mit rund 57.
Manfred Felix, Obmann der Pensionsversicherungsanstalt (PVA), erklärt das mit der Invaliden- und Früh-Pension, die in Anspruch genommen werden.Das Argument, dass die Arbeitnehmer immer älter und gesünder würden, schwächt er ab: „Die Menschen sind vielleicht körperlich gesünder als früher, dafür steigen die psychischen Erkrankungen.“

„Wir brauchen dringend ein wirksames Bonus-Malus-System, das Unternehmen, die keine oder wenige ältere Arbeitnehmer beschäftigen, in die Pflicht nimmt.“

Wolfgang Panhölzl, Experte für Pension bei der Arbeiterkammer Wien

Politologe Peter Filzmaier sieht das anders: „Älteren Menschen wurde viel zu oft gesagt, dass sie für den Arbeitsmarkt nicht geeignet wären, anstatt sie wertzuschätzen. Politik, Wirtschaft und Medien müssten jedoch ein gegenteiliges Bild vermitteln.“ Die Jahre, in denen Beiträge ins Pensionssystem eingespeist werden, nehmen also ab – während die Zahl der Pensionsjahre aufgrund der wachsenden Lebenserwartung steigt. Dazu kommt, dass bei Arbeitnehmern ab dem 55. Lebensjahr die Arbeitslosigkeit am weitesten verbreitet ist. „Die Daten des Hauptverbandes der Sozialversicherung zeigen, dass rund 20 Prozent der Betriebe mit mehr als 25 Beschäftigten keine einzige Person über 55 Jahren beschäftigen“, weiß AK-Experte Panhölzl. „Und zwar unabhängig von der Branche, in der sie tätig sind.“ Zur Zeit muss der Staat 4,6 Milliarden Euro an Direktzuschüssen aus dem Budget dem Pensionssystem zuschießen.

Wie kann das in Zukunft funktionieren? „Wir brauchen dringend ein wirksames Bonus-Malus-System, das Unternehmen, die keine oder wenige ältere Arbeitnehmer beschäftigen, in die Pflicht nimmt“, fordert Panhölzl. Im Regierungsprogramm ist ein solches System vereinbart, das eine Älterenquote festlegt, die Umsetzung lässt jedoch auf sich warten.

Reformen zur Pension gefordert

Bereits 2012 starteten mehr als 50 Unterstützer aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik einen „Aufruf für eine umfassende und nachhaltige Reform des Pensionsversicherungssystems“. Die Experten forderten eine Angleichung an das schwedische Modell zur Pension: Dort werden auf einem Konto die Beiträge eingezahlt und dann real verzinst. Eine gesetzliche Festlegung, wann jemand in Rente zu gehen hat, gibt es nicht, sondern diese Entscheidung wird an die Eigenverantwortung der Menschen übergeben. Die Rentner bekommen also, was sie im Erwerbsleben selbst angespart haben – egal, wann sie in Pension gehen. Schwedische Paare müssen sich ausmachen, wie sie den Anspruch auf Pension teilen, wenn ein Partner für einige Jahre bei den Kindern bleibt. Interessantes Detail: Jeder siebente Schwede kehrt aus der Pension zurück ins Erwerbsleben, um weitere Beiträge zu erwirtschaften. „In Schweden gibt es allerdings in Summe wesentlich höhere Beiträge zur Pension als in Österreich sowie riesige öffentliche Pensionsfonds“, fügt Panhölzl hinzu. Auch PVA-Obmann Felix steht dem schwedischen Modell kritisch gegenüber.

„Wenn heute in Österreich knapp zwei Millionen Menschen über 60 Jahre leben und es laut Statistik im Jahr 2050 über 3,2 Millionen werden, kann sich jeder ausrechnen, dass beim jetzigen Antrittsalter zur Pension die Finanzierung schwieriger wird.“

Peter Filzmaier, Politologe

Pension: Die Verunsicherung ist groß

Laut einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Marketmind glauben 30 Prozent der Österreicher nicht, dass sie einmal mit einer staatlichen Pension rechnen können. Bei den unter 30-Jährigen ist sogar fast die Hälfte dieser Meinung. „Das ist das Ergebnis jahrzehntelanger Negativkampagnen von Banken, Versicherungen und sogenannten Pensionsexperten“, vermutet Panhölzl. Laut dem AK-Experten wurde die gesetzliche Pension auch während der größten heimischen Krisen ausbezahlt, wie etwa nach den Weltkriegen. Politologe Peter Filzmaier wiederum versteht die Verunsicherung der Jungen: „Wenn heute in Österreich knapp zwei Millionen Menschen über 60 Jahre leben und es laut Statistik im Jahr 2050 über 3,2 Millionen werden, kann sich jeder ausrechnen, dass beim jetzigen Antrittsalter zur Pension die Finanzierung schwieriger wird.“ Keine Regierung würde jedoch entscheiden, dass die Pension nicht mehr ausbezahlt wird. „Da könnte sie unabhängig von den Parteifarben am selben Tag zurücktreten.“

Filzmaier fordert die Politik auf, das Thema Pension umfassender anzugehen. „Ein Generationenvertrag darf nicht heißen, dass die Jüngeren eben Pech haben und in Zukunft einfach mehr zahlen müssen.“ Der Politologe sieht zwei Möglichkeiten, gegen zu steuern: „Erstens eine höhere Geburtenrate und höhere Erwerbsquote von Frauen, was durch den Ausbau der Kinderbetreuung bis hin zu arbeitsrechtlichen Maßnahmen staatlich gefördert werden könnte. Zweitens eine gezielte Zuwanderung von Arbeitskräften, die kein gesellschaftspolitisches Tabu mehr sein darf.“

Arbeiten bis zum Umfallen?

Dass die Verunsicherung bezüglich künftiger Pensionen groß ist, beweist eine Umfrage im Bekanntenkreis: „Ich war 15 Jahre freiberuflich als Kleinstunternehmerin tätig und konnte mir keine Zahlungen für die Pension leisten“, erzählt Lisa Engel, 48. „Mein geringer Verdienst ging direkt an die drei Kinder, die ich allein groß zog.“ Engel rechnet nicht damit, eine Pension zu bekommen (der Brief von der PVA ist bei ihr noch nicht eingelangt) und geht dafür andere Wege: „Ich investiere Lebenszeit in die Entwicklung komplementärer Wirtschafts- und Lebenssysteme wie Tauschkreise, Regionalwährungen, Wohnen in Gemeinschaft oder Food Sharing.“ Gerade Selbständige haben oft wenig Vertrauen in die Pensionsversicherung, wie die Journalistin und Buchautorin Martina Gross (Name geändert) bestätigt: „Mein Konto enthält eine lächerlich geringe Zahl, weil der Staat es nicht schafft, mir meine 13 Auslandsdienstjahre an einer Fachhochschule anzurechnen.“ Gross sieht schwarzhumorig nur eine Möglichkeit: „Weiterschreiben bis zum Tod.“ Mit dieser Einstellung ist sie nicht alleine, viele Selbständige können sich vorstellen, länger als bis Mitte 60 zu arbeiten. Das Pensionsgesetz ermöglicht einen uneingeschränkten Zuverdienst zur Regelpension. „Das gilt allerdings nicht für eine Pension, die frühzeitig angetreten wird, wie etwa eine Invalidenpension“, ergänzt PVA-Obmann Felix.

„Die Privatversicherer stellen auf ihren Pensionsrechnern den gesetzlichen Pensionsanspruch in heutigen Einkommensverhältnissen dar, nehmen aber zur Schließung der Pensionslücke nominale Werte her. Dadurch entsteht ein verzerrtes Bild.“

Wolfgang Panhölzl, Arbeiterkammer Wien, über die Errechnung der Pension

Vorsicht bei Privatanbietern

Und was ist nun die berüchtigte Pensionslücke? „Dabei handelt es sich um den monatlichen Geldbetrag, der auf das letzte Arbeitseinkommen fehlt“, erklärt AK-Experte Panhölzl. „Mithilfe des Pensionsrechners der AK kann der tatsächliche Pensionsanspruch errechnet werden.“ Im Gegensatz zum Pensionsrechner der PVA kann man hier die Pension auch unter Berücksichtigung der Inflation (nominaler Wert) errechnen. Panhölzl rät dazu, diesen nominalen oder inflationsangepassten Wert zu nehmen, um Vergleiche mit den Zusagen von Privatversicherern anzustellen. „Die Privatversicherer stellen auf ihren Pensionsrechnern den Anspruch in heutigen Einkommensverhältnissen dar, nehmen aber zur Schließung der Pensionslücke nominale Werte her. Dadurch entsteht ein verzerrtes Bild.“ Der Pensionsexperte warnt davor, vorschnell ein Anlageprodukt abzuschließen. „Falls eine Pensionslücke bleibt, kann auch der Nachkauf von Versicherungszeiten oder die freiwillige Höherversicherung erwogen werden.“

Offen bleibt, weshalb das irreführende Wort „Pensionskonto“ verwendet wird, selbst der PVA-Obmann weiß darauf keine Antwort. Denn es gibt ja kein Konto oder ein Sparbuch, auf dem Geld verfügbar wäre, sondern wir zahlen weiterhin Geld für nachfolgende Generationen ein. PVA-Chef Felix fordert dazu auf, sich besser zu informieren: „Wir bekommen immer wieder Anfragen von Menschen, die die Kontoerstgutschrift erhalten haben. Obwohl bereits im zweiten Absatz des Briefes steht, dass es sich um das bisherige Pensionguthaben handelt, glauben Viele, das wäre ihre endgültige Pension.“
Fest steht: Das Pensionskonto ist eine Möglichkeit, sich mit den eigenen Pensionsansprüchen auseinander zu setzen und bietet erstmals Transparenz. Und es ist gleichzeitig eine Aufforderung zu mehr Eigenverantwortung.

Lesen Sie hier mehr über die Zukunft Pension in Österreich, die Pensionsberechnung und alternative Möglichkeiten der Pensionsvorsorge.

Foto/Video: Shutterstock.

Geschrieben von Susanne Wolf

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