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(R)evolution – Kolumne von Gery Seidl

Gery Seidl

Es fasziniert mich immer wieder zu sehen, wie sich der Mensch im Laufe der letzten vierzig- oder fünfzigtausend Jahre entwickelt hat. Was damit begonnen hat vor dem Feuer keine Angst mehr zu haben, hat uns mittlerweile so weit gebracht uns klonen zu können oder defekte Organe passgenau nachwachsen zu lassen. Ob das moralisch vertretbar ist, steht auf einem anderen Papier. Wie weit schafft es der Mensch also noch? Nicht nur, dass er seinen Lebensraum auch schon auf andere Planeten ausdehnen möchte, bin ich mir sicher, dass es kein Korrektiv gibt, welches unseren Forscherdrang jemals stoppen könnte.

Bei genauerer Betrachtung unserer Spezies außerhalb des Labors, erkennt man jedoch immer wieder Züge und Verhaltensmuster, die uns einladen sollten im jetzigen Zustand kurz zu verharren und ihn bis zum weiteren Entwicklungsschritt zu perfektionieren.
Ein möglicher Punkt wäre das Zusammenleben. Ist uns doch ein friedliches Nebeneinander auf unserem bewohnbaren Planeten schon nicht möglich, drängt sich die Frage auf, ob es tatsächlich Sinn macht, mit diesen Vorstellungen des Miteinanders neue Planeten zu belasten. Weiters die Überlegung sämtlichen hier nicht verrottbaren Unrat ins All zu schicken. Sollten wir nicht die komplette Energie in die Idee stecken, keinen Müll mehr zu erzeugen oder ihn zumindest rückstandslos auch wieder beseitigen zu können? Sollte es nicht die Aufgabe aller ersten Grades sein, unsere Klimaerwärmung zu stoppen und die Meere zu reinigen? Trennendes zwischen unseren Völkern gegen Verbindendes zu tauschen? Respekt und Anstand in den Alltag einziehen lassen? Sind es nicht solche Entwicklungsschritte die mindestens genauso viel Aufmerksamkeit brauchen wie der Flug zum Mars, oder geht beides?

„Respektlosigkeit im Zusammenleben von Menschen lassen einen glauben, der Mensch hätte sich seit seinem aufrechten Gang noch nicht weiterentwickelt.“

Die Entwicklung der Wirtschaft, die Ausbeutung derer, die sich nicht wehren können und die teilweise komplette Respektlosigkeit im Zusammenleben von Menschen lassen einen jedoch des Öfteren glauben, der Mensch hätte sich seit seinem aufrechten Gang noch nicht weiterentwickelt. Natürlich haben wir Handys und Autos und dergleichen, danke, das ist auch an mir nicht spurlos vorüber gegangen, jedoch meine ich in diesem Fall die Verteidigung des Reviers. Die offensichtlich angeborene Raffsucht. Die Ellbogen.
Wo ist der Unterschied, ob ich meinen Nachbarn mit einer Atomwaffe bedrohe oder ihm eins mit der Eichenkeule über den Scheitel ziehe? Den Unterschied erkennt man sofort: Die Atomwaffe ist nachhaltiger und löscht jedes Leben aus. Das wäre doch ein Beweis für die Entwicklung des Menschen in die entgegengesetzte Richtung. Da war die Keule noch harmlos dagegen.

Wie weit sind wir also gekommen in unserer Evolution? Moralisch treten wir am Stand. Technisch sind wir weit gekommen. Jedoch hat der Mensch, welcher beispielsweise einen Wagen lenkt, oft keine Ahnung, wie es zur Zusammenstellung dieses funktionierenden Teiles gekommen ist. Oft weiß der Endverbraucher nicht einmal, wie das Metall erzeugt wurde, das man zu einem Schlüssel geformt hat um mit ihm einen Zündfunken zu erzeugen, der dann eine Explosion im … Sie wissen was ich meine.
Ich denke, es kommt darauf an, wie man etwas macht und mit welchem Ziel man an die Sache heran geht. Die Entwickler der Atombombe haben gewusst, was man damit anrichten kann, jedoch zünden muss sie der Präsident und nicht der Physiker. Wir sollten also aufpassen, wen wir zum Präsidenten machen, denn ihm geht es mit der Macht oft, wie dem Autofahrer mit dem Zündschlüssel.

Ein indianisches Sprichwort sagt: „Wir haben die Erde nicht von unseren Eltern geerbt, sondern von unseren Kindern geliehen.“ Mit diesem Ansatz sollten wir somit alle Kraft daran setzen, ihnen dieses Juwel nicht zu zerstören. Die Evolution des Menschen könnte ab heute bedeuten, dass wir einen fairen Umgang mit einander pflegen, dass wir einander schätzen und respektieren, dass wir mit unseren Ressourcen sorgsam umgehen und uns alle als ein großes Ganzes erkennen. Zur selben Zeit am selben Planeten.
Dass dieser Zugang monetär völlig unrealistisch und realitätsbezogen ziemlich blauäugig ist, ist mir bewusst, doch denke ich, werden wir ihn brauchen, um unseren Kindern auf Augenhöhe begegnen zu können.

Foto/Video: Gary Milano.

Geschrieben von Gery Seidl

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